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Hits und Obskuritäten (concert review, Vienna 2008 - German)

Hits und Obskuritäten

Zwei vokale Welten mit Sinéad O’Connor und Helen Schneider beim Jazzfest Wien in der Staatsoper

Wien – Zwei höchst unterschiedliche Auftritte: Die Darbietung Helen Schneiders, die sich nach einer Rockkarriere in den vergangenen Jahren um Chansonpflege verdient gemacht hat, war geprägt von Zerrissenheit zwischen Versuchen, Artrock auf die Bühne zu hieven, und Konzession in Gestalt von mitunter durchaus gefälligem Barjazz, der sich auf Altbewährtes und Klassiker verließ.

Im Repertoire Aretha Franklin ebenso wie Dylan, Cohen oder Udo Lindenberg, guter Freund und Förderer von Schneiders Karriere in Deutschland. Sinéad O’Connor hingegen sollte alles richtig machen. Die Musikerin, der seit jeher – man erinnere sich: öffentliches Zerreißen eines Fotos des Papstes, Skandal! – das Image einer schwierigen Künstlerin anhaftet, präsentierte, vom Ambiente beeindruckt und, so scheint’s, von Altersmilde beflügelt, ein entschlacktes Set aus Hits und Obskuritäten, dem mühelos der Spagat zwischen eigenem Anliegen und Zugeständnissen an Erwartungshaltungen gelang.

O’Connor, die sich zwischen frühen Achtungserfolgen, Popstarweltruhm mit der allseits bekannten Prince-Coverversion Nothing Compares 2 U ebenso wie zwischenzeitlichen Rückzügen und kaum mehrheitsfähigen Alben voller irischer Traditionals oder Reggae-Adaptionen nie sonderlich daran interessiert gezeigt hat, aus ihren weit verzweigten Interessen eine stringente Karriere zu zimmern, hat ihren Frieden mit dem Business gemacht.

Von Anbiederungen ist sie weit entfernt. Gut gelaunt legte sie sogleich den Ablauf des Abends offen: Die erste Hälfte setzte sich aus Material des 2007er-Albums Theology zusammen, das eine oft gescholtene "Spiritualität" – stets prägendes Thema bei O’Connor – bemüht, ohne dabei in Esoterik-Kitsch wegzubrechen. Daraufhin sollten Stücke aus allen Phasen folgen.

So brachte sie in schlankem Bühnensetting, trotz Husten äußerst gut bei Stimme und begleitet von zwei Musikern, eigener und fremder Gitarre, Tasten und fallweise Akkordeon, Klassiker aus dem eigene Œuvre wie den immer noch gültigen, ja, Protestsong Black Boys on Mopeds, The Last Days of Our Acquaintance oder Thank You for Hearing Me in reduzierten Versionen ohne jeglichen Budenzauber zu Gehör, auch Nothing Compares 2 U darf wieder geboten werden. Die Oper strahlte.

(Philipp L’Heritier, DER STANDARD/Printausgabe, 05.07/06.07.2008)